Zur Deutschen Gebärdensprache (DGS)
Die Sprache der Hände … und des Gesichts, des Körpers, der Arme
Obwohl es auf den ersten Blick so scheinen mag, besteht Gebärdensprache keineswegs nur aus Handbewegungen.
Mimik und Mundbewegungen (was übrigens zwei ganz verschiedene Dinge sind!) spielen eine sehr wichtige Rolle, ebenso wie die Haltung des Oberkörpers, die Handform, die Handstellung und andere Parameter. Die Mundbewegungen formen zum einen die sogenannte Mundgestik, zum anderen das sogenannte Mundbild. Das Mundbild entspricht meist den Bewegungen, die man machen würde, wenn man das Wort laut ausspräche.
Kleiner Unterschied mit großer Bedeutung
Diese kleinen Unterschiede nennt man in der Fachsprache „Minimalpaare“. So, wie es in der Lautsprache die Wörter „Maus“ und „Haus“ gibt, verfügen auch Gebärdensprachen über Gebärden, die wegen minimaler Abweichungen ganz unterschiedliche Dinge bedeuten können. Die Gebärde für „rot“ wird beispielsweise an den Lippen ausgeführt, die Gebärde für „Weinen“ an den Augen – alles andere, zum Beispiel die Bewegung, Handform und Handstellung, sind identisch.
Das war eines der Phänomene, die den amerikanischen Linguisten William Stokoe 1960 zu dem Schluss kommen ließen, dass auch Gebärdensprachen eigenständige Sprachen sind. Seine Erkenntnis war bahnbrechend für die Entwicklung der Gebärdensprachforschungen weltweit. In Deutschland begann die linguistische Auseinandersetzung in den 1980er Jahren. Sie bietet für den harten Kampf um die gesetzliche Anerkennung der Gebärdensprachen eine solide wissenschaftliche Grundlage. Seit dem Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes am 1. Mai 2002 ist die Gebärdensprache – hierzulande die Deutsche Gebärdensprache, kurz DGS – als eigenständige Sprache anerkannt.
Mit Fingerspitzengefühl
Und das eingangs erwähnte Fingeralphabet? Es kommt in der Deutschen Gebärdensprache (DGS) zum Einsatz, um Namen oder neue Begriffe zu buchstabieren, für die es noch keine Gebärden gibt. Das heißt nicht, dass man bestimmte Themen nicht diskutieren könnte, weil dafür die Gebärden fehlen – weit gefehlt! Die Gebärden werden schnell gefunden, denn irgendjemand kennt sicher eine, und wenn nicht, werden sie tatsächlich erfunden. Neue Begriffe wie Instagram und Corona bekommen schnell entsprechende Gebärden zugewiesen, meist setzt sich eine durch, aber es können auch mehrere gebräuchlich werden. Denn dass es mehrere Gebärden für ein Wort gibt, ist normal – schließlich gibt es auch in der Lautsprache Schrippen, Brötchen, Semmeln und Wecken. Oder Gehwege, Bürgersteige und Trottoire.
Nicht international – auch wenn es praktisch wäre
Was, die Gebärdensprache ist nicht international? Nein, ist sie nicht – obwohl es tatsächlich sehr praktisch wäre, genauso, wie wenn alle Menschen Englisch sprechen würden. Die Verwandtschaftsverhältnisse sind anders als bei den Lautsprachen: Die Amerikanische Gebärdensprache (ASL) hat beispielsweise nichts mit der Britischen Gebärdensprache (BSL) zu tun, sondern ähnelt mehr der Französischen Gebärdensprache (LSF). Wir haben in den 27 EU-Mitgliedstaaten 31 nationale Gebärdensprachen im Vergleich zu etwa 24 gesprochenen Amtssprachen. Schon heute ist gerade bei der Jugend-Gebärdensprache ein deutlicher Einfluss fremder Gebärdensprachen zu beobachten, da durch das Internet der internationale Austausch in der Community regelrecht angefeuert wird. Nichtsdestotrotz hat sich schon lange eine internationale Variante der Gebärdensprache ausgebildet, das International Sign, welches besonders auf Ikonizität setzt. Es besteht aus einem Gemisch der unterschiedlichen nationalen Gebärdensprachen und ist je nach Person, die es nutzt, unterschiedlich. Internationale Kongresse der Gehörlosen gibt es bereits seit 1872, Ausgangspunkt war Berlin.
Zuhause im Gehörlosenzentrum
Vor dem Internet war das Gehörlosenzentrum lange Zeit das Zentrum, gewissermaßen das Herz der Gehörlosengemeinschaft. Hier traf man sich, lernte andere Gebärdensprache nutzende Menschen kennen, informierte sich auf Vorträgen und feierte bis zum Morgengrauen. Wenn man verreiste – und das tun Gehörlose nach wie vor gerne, auch international – dann war das Gehörlosenzentrum der jeweiligen Stadt immer die erste Anlaufstelle. Doch mit dem Aufkommen von Internet, Smartphone, Chat-Apps und Videotelefonie wurde es immer leichter, sich direkt zu verabreden oder auszutauschen. Die Bedeutung des Gehörlosenzentrums ist nicht mehr die gleiche wie früher und die Vereine müssen oftmals nach neuen Wegen suchen, ihre Mitglieder zu erreichen, an sich zu binden und engagierten Nachwuchs zu finden.
Denn die Vereine sind das Rückgrat der Gehörlosengemeinschaft, sie sind Mitglied in Gehörlosen-Landesverbänden, die wiederum Mitglied im Deutschen Gehörlosen-Bund sind. Zwei Vereine sind von besonderer bundesweiter Bedeutung: Die Deutsche Gehörlosen-Jugend kümmert sich um den Nachwuchs in der Vereinslandschaft, in dem sie Kinder- und Jugendcamps sowie das Jugendfestival durchführt. Und der Deutsche Gehörlosen-Sportverband bindet nach wie vor den Nachwuchs an die Sportvereine.
Wir, der DGB, sind nur mit aktiven Mitgliedern und einer flexiblen Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Gehörlosengemeinschaft eine würdige Vertretung der Gehörlosen in Deutschland.
Stand der Informationen: September 2020 – Laden Sie diese Informationen als Flyer-PDF herunter unter diesem Link